Die Nachtigall von Wittenberg
Das dunkle oder klare, bewußte oder unbewußte Vorgefühl einer großen Umwälzung und Umwertung erzeugte in nahezu allen Kreisen der Nation eine ungeheure und vorwiegend freudig gefärbte Spannung. In zahlreichen Schriften der Zeit kehrt das Bild von der »Morgenröte« wieder, am schönsten in Hans Sachsens berühmtem Gedicht: »Die wittenbergisch Nachtigall«: »Wacht auf, es nahet sich dem Tag! Ich höre singen im grünen Hag die wonnigliche Nachtigall; ihr Lied durchklinget Berg und Tal. Die Nacht neigt sich gen Okzident, der Tag geht auf von Orient. Die rotbrünstige Morgenrot her durch die trüben Wolken geht, daraus die lichte Sonn' tut blicken, der Mond tut sich hernieder drücken.« In einem Drama, das denselben Titel führt, läßt Strindberg Ulrich von Hutten seine weltbekannten Worte »Die Geister erwachen, es ist eine Lust zu leben!« durch den Ausruf ergänzen: »Oh, jetzt kommt etwas Neues!«
Was war nun dieses Neue? Es war Martin Luther. <Biographie von Hans Mayer>